
Klaus von Dohnanyi, Wolfgang
Peiner, Ole von Beust und Willfried Maier waren sich in ihrem Positionspapier ("In Sorge um Hamburg") einig: Hamburg
drohe in Schönheit zu erstarren, man dürfe nicht nur auf Hafen, Handel
und Wandel setzen, sondern müsse sich ganz anders dem wichtigsten
Wertschöpfungsfaktor der Zukunft zuwenden: dem Wissen und der
Kreativität in den Köpfen. Wenn man diese anziehen und an Hamburg binden
wolle, brauche man vor allem leistungsstarke Hochschulen. Mit der
publikumswirksamen Einweihung eines "Energiecampus", auf dem sich ein
einsames Windrad dreht, sei es eben nicht getan – auch wenn man es mit
Begriffen wie dem "Silicon Valley des Nordens" hochjazzt.
Das Problem ist, dass die meisten
Hamburger noch immer glauben, Hochschulen seien nur
Ausbildungseinrichtungen, nur Einrichtungen für Forscher oder nur ein
Nebenkriegsschauplatz der Hamburger Politik, auf dem sich
Hochschulpräsidenten und Wissenschaftsbehörde ums Geld zanken. Die
Wirklichkeit sieht anders aus und droht Hamburg zu überholen: Die
richtig guten Hochschulen dieser Welt sind Orte, an denen sich Talent,
Kreativität und Ideen versammeln. In der Wissensökonomie des 21.
Jahrhunderts ist die Quelle aller Wertschöpfung die Idee, aus der eine
App, eine Software, eine Innovation wird. Um sie herum entsteht eine
Geschäftsidee, ein Businessplan, eine Finanzierungsrunde und eine
Unternehmensgründung.
Die besten Hochschulen dieser
Welt haben das längst erkannt und sich entsprechend aufgestellt: kein
Silicon Valley ohne die Stanford University, kein Biotech ohne das MIT,
kein deutsches Software-Cluster ohne die TU München und das Karlsruhe
Institute of Technology, keine Fortschritte im Fahrzeugbau ohne die RWTH
Aachen und die Uni Stuttgart.
Sie alle zeichnet ein enges
Zusammenwirken aus von Hochschule als Bildungseinrichtung, die
Nachwuchstalente anzieht, mit außeruniversitären Forschungseinrichtungen
wie Max-Planck- oder Fraunhofer-Instituten, die Zusammenarbeit von
meist mittelständischer Wirtschaft und Universitätsinstituten sowie
Gründerzentren, die Starthilfe mit Know-how und Finanzierung
bereitstellen.
Ohne die bestehende
Infrastruktur in Hamburg schlechtzumachen: Sie reicht dafür schlicht
nicht aus. Und das ist leider nicht nur eine Frage des Geldes, sondern
auch der fehlenden strategischen Positionierung unserer
Hochschullandschaft.
Berlin überholt uns mit einer
Gründerszene, die es durchaus auch in Hamburg geben könnte. Frankfurt –
übrigens eine stolze Bürgergesellschaft – hat eine ebenfalls rund 100
Jahre alte Universität, die mit einem kompletten Neubau nicht nur den
Charakter der Finanz- und Bankenstadt Frankfurt völlig verändert. Sie
hat auch mit privaten Zustiftungen zum Universitätsjubiläum Maßstäbe in
Deutschland gesetzt.
Hamburgs schlechtes
Abschneiden bei der Exzellenzinitiative wird hingegen noch lange
nachwirken: Am Tag der Bekanntgabe rutschte Hamburg im Städteranking
sofort deutlich nach unten ab. Und: Die zusätzlichen Millionen für
Forschung, Labore und Studienplätze, die nach München, Karlsruhe, Aachen
und Berlin geflossen sind, kommen nicht nur nie wieder, sie werden dort
auch um Drittmittel ergänzt, die aus Wirtschaft und Industrie fließen.
Hamburgs Abstieg in die Zweite Liga der Wissenschaft hat wesentlich
weniger Emotionen geweckt als die drohende Zweitklassigkeit des HSV –
obwohl es wirtschaftlich noch bedeutender war, auch wenn ich mir
Letzteres ganz sicher nicht wünsche.
Was muss geschehen? Hamburgs
Hochschullandschaft ist nicht nur die Uni: Es gibt neben den sieben
staatlichen Hochschulen 14 staatlich anerkannte private Hochschulen, die
zum Teil wesentlich dynamischer, in Einzelfällen exzellent und am
konkreten Bedarf ausgerichtet Bildungsangebote vorhalten, ohne dass sie
in eine gesamthafte Strategie der Hamburger Wissenschaftspolitik
eingebunden wären. Die duale Hochschule Baden-Württemberg hat das hier
erfundene "Hamburger Modell" zu einem süddeutschen Erfolg
weiterentwickelt und uns zahlenmäßig längst abgehängt –
Wissenschaftspolitik ist dort nämlich Standortpolitik.
"Nur" mehr Geld wäre keine
Lösung. Solange Hamburg keine Strategie dafür hat, wie die Hochschulen
inhaltlich und baulich attraktiver, echte Anziehungspunkte für den
akademischen Nachwuchs und Plattformen für die wichtigen Debatten über
unsere Zukunft werden, solange die bedeutenden Reden in Hamburg im
Übersee-Club und nicht an der Uni gehalten werden, solange der
Wirtschaftssenator noch immer häufiger im Hafen als an der Universität
ist, solange die Wissenschaft nicht als der zentrale Standortfaktor
erkannt wird, ist es mit Geld allein nicht getan. Hamburgs
Stadtgesellschaft, Kaufleute und Bürger, Meinungsmacher und Politiker
gilt es dafür zu gewinnen, auf die Frage, wofür Hamburg steht, ganz
selbstverständlich zu antworten: für die Fähigkeit, mit gut 20
Hochschulen die besten Köpfe weltweit nach Hamburg zu holen.