Die sich langsam verselbstständigende Diskussion um unseren
Bundespräsidenten dreht sich im Kern um die Frage, was Politiker sich
herausnehmen dürfen und was nicht. Es wird vor allem debattiert, welches
Verhalten zwar vielleicht rechtens sei, aber moralisch verwerflich oder
zumindest politisch unklug. Eigentlich hat es immer mit Geld zu tun. An
unsere Volksvertreter legen wir offenbar strenge Maßstäbe an. Wir sollten uns deshalb
damit befassen, wer eigentlich Politiker wird - und warum. Woher kommen
die engagierten Frauen und Männer, die in der Summe unsere - des Volkes -
Vertreter sind? Was motiviert und bewegt sie, sich diesem, wie es oft
abschätzig heißt, "schmutzigen Geschäft" zu widmen? Ein "Geschäft", das
gleichzeitig so bedeutend ist, weil es Entscheidungen für uns und über
uns treffen kann.
Wie kommt es, dass sie an vielen Abenden ihre Zeit
opfern, um in Hinterzimmern mit Parteifreunden Grundsatzpapiere zu
wälzen, zu Parteitagen fahren, in Fraktionssitzungen Positionen
abstimmen, auf Wochenmärkten für Wählerstimmen werben? Warum sind wir
denen, die das alles auf sich nehmen, nicht unendlich dankbar, sondern
sehen oft mitleidig auf ihr Engagement herab? Und schauen - als wären
wir selbst frei von Fehlern - ganz genau hin, von wem sie wozu
eingeladen werden? Als wüssten wir nicht, dass der Zebrastreifen vor der
Kita nicht da wäre, kein Bebauungsplan genehmigt würde oder die
Elbvertiefung nicht käme, wenn es diese "Spezies" nicht gäbe. Wo liegt
der Fehler im System?
Politiker (alle, die ich kenne und die mich kennen,
natürlich ausgenommen ...) sind Menschen wie du und ich. Sie haben neben
ihren politischen Überzeugungen eigene Ziele und eigene Interessen. Mit
zwei Besonderheiten: Sie denken und handeln für andere, sind oft
gemeinschaftsbezogene Wesen. Und: Meist verdienen sie nicht übermäßig
viel. Politik ist attraktiv für Menschen, deren Lebensumstände sich
durch die Politik verbessern, auch finanziell. Für Menschen, die dafür
genug Zeit aufbringen können oder für die sich der Einsatz irgendwann
auszahlt. Das führt dazu, dass sich in der Politik vor allem Beamte und
Lehrer, Mitarbeiter von Parteien und Gewerkschaften, Hausfrauen, Rentner
und Studenten finden. Sie haben meist genug freie Zeit und empfinden 40
Euro Sitzungsgeld oft als passable Entschädigung für einen Abend und
würden mit einem Landtags- oder Bürgerschaftsmandat ihre finanzielle und
gesellschaftliche Stellung verbessern.
Das wäre nicht schlimm, wenn es nicht (fast) nur diese
Sorte Politiker gäbe. Wenn es neben wenigen Ausnahmen mehr Unternehmer,
leitende Angestellte, IT-Spezialisten, Controller, Marketing- und
Finanzexperten, Versicherungskaufleute, Professoren, Ingenieure,
Führungskräfte gäbe, die sich ebenfalls engagieren. Ihr Problem: Sie
verdienen besser als Abgeordnete, ein Wechsel in die Politik wäre mit
einem Verlust verbunden. Es gibt zum Glück zwar Idealisten - Politik ist
aber finanziell nur für die attraktiv, die sich verbessern. Der
Qualität unserer Politik als "Volksvertretung" würde es guttun, auch im
Beruf Erfolgreiche anzuziehen. Wie könnte das geschehen? Die Lösung ist
einfach: Jeder gewählte Abgeordnete erhält ein Viertel mehr, also das
1,25-Fache seines bisherigen Gehalts. Nach unten hin gäbe es eine
Mindestentlohnung (sagen wir: das 1,25-Fache des Durchschnittseinkommens
von 2700 Euro, also 3375 Euro) und nach oben einen Höchstsatz (das
Zehnfache, also etwa das Gehalt von Vorständen mittlerer
Aktiengesellschaften, monatlich 33 750 Euro). Damit wäre ein Mandat für
jeden attraktiv, weil es mit einer Einkommenssteigerung von 25 Prozent
verbunden wäre. Für alle mit niedrigem Einkommen würde sich wenig
ändern, weil sie etwas mehr als die bisherigen Diäten erhielten (in der
Hamburgischen Bürgerschaft derzeit 2653 Euro). Ein SAP-Experte, der etwa
10 000 Euro im Monat verdient, käme auf 12 500 Euro. Heute müsste er
auf rund drei Viertel seines Gehalts verzichten.
Die Regelung hätte einen angenehmen Nebeneffekt: Über die
Höhe der Diäten bräuchte nicht länger gestritten zu werden. Ebenso
wenig darüber, ob Politiker zu viel oder zu wenig verdienen. Sie
verdienen alle ein Viertel mehr als bisher. Einfach, transparent und mit
größerem Anreiz, sich zu engagieren.
(erschienen im Hamburger Abendblatt am 8. 2. 2012, S.2)
Mittwoch, 8. Februar 2012
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1. Was haben denn Berufspolitiker gemacht bevor sie Politiker wurden?
AntwortenLöschenMeistens zumindest keinen Beruf im eigentlichen Sinne ausgeübt.
2. Das würde nun Leute in die Politik ziehen, die vielleicht mehr auf das Geld als aufs Gemeinwohl schielen.
3. Das höhere Diäten von Bestechlichkeit abhalten sieht man eindrucksvoll in Italien ;)
Verstehe ich Sie richtig, und dieses Modell würde darauf hinauslaufen, dass ein Angeordneter 33750 und sein Kollege dennoch lediglich 3375 € verdient, trotz der Tatsache, dass beide denselben Beruf ausüben und im Idealfall gleiches leisten? Wie lässt sich dieser gravierende Unterschied rechtfertigen?
AntwortenLöschenIch glaube der Gedanke "mehr Gehalt -> bessere Leute" ist so nicht zu halten. Ein Blick durch Daxvorstände und Investment-Banking-Abteilungen zeigt doch, dass es dort genau so läuft wie überall. Schwarze Schafe gibt es immer, Vitamin B hilft immer und nur mit fachlicher Kompetenz hat es noch keine nach oben geschafft.
AntwortenLöschenMan sollte lieber die Zahl der Mandatsträger reduzieren und Strukturen schaffen, die Idealisten gegenüber Blendern und "Machtgeilen" bevorteilen. Außerdem muss das Lagerdenken enden. Politiker sollen nicht gegeneinander und für Wählerstimmen kämpfen sondern miteinander und für Deutschland.
Als politisch Interessierter wird man doch schon auf Kommunaler durch Seilschaften und Geklüngelt abgeschreckt (wenn man nicht gerade Kölner ist) – und seien wir mal ehrlich, da muss man schon sehr idealistisch sein um sich durch festgefahrene Parteienstrukturen nach oben zu arbeiten. Und meist ist man dann so betriebsblind geworden, dass man vergisst was einen eigentlich gestört hat.
Diese Probleme bleiben bestehen solange es die alten Parteien gibt, und solange es Mandatsträger gibt, die an Ihren Sesseln und den damit verbundenen Diäten und Pensionsansprüchen kleben. Denn - und das muss man ja auch einmal sagen - schlecht bezahlt sind Politiker nicht. Es ist doch vielmehr so, dass Entscheidungs (≠Verantwortungs-) träger in der Wirtschaft deutlich überbezahlt sind.
@ anonym (2): ja, die Bezahlung wäre unterschiedlich. warum auch nicht?
AntwortenLöschen@ stud.iur.: Ich teile Ihre Auffassung im ersten Absatz nicht. Für die folgenden Absätze gilt: Mit "sollte" kann man zwar Sonntagsreden halten, verändert aber nichts. Natürlich sollten wir alle bessere Menschen sein, sind es aber nicht. Mein Vorschlag ist sicher kein Allheilmittel. Aber ein Ansatz um die Attraktivität für "Politik als Beruf" (Max Weber) für breitere Zielgruppen attraktiv zu machen als bisher.
1. Eine so starke unterschiedliche Bezahlung muss eine Rechtfertigung haben. Wenn ein Sozialarbeiter, ein Investmentbanker und ein Professor in die Politik gehen, und nachher, nur wegen ihrer Vergangenheit so stark unterschiedliche Bezüge bekommen, ist dass m.E. stark unangemessen.
AntwortenLöschen2. Die "breitere" Zielgruppe wären lediglich Leute, die zuviel Wert auf Geld geben. Es gibt eine hohe Anzahl von Leuten, die unabhängig von der schlechten Bezahlung sehr gute Arbeit leisten (zB Professoren). Im Leben gibt es nun mal (anders als dieser Artikel zu vermitteln versucht) mehr als Geld.
3. Das Argument, es würde weniger gestritten werden, und die Gehaltsbestimmung wäre einfach, zieht nicht. Wenn der (ehemalige) Sozialarbeiter/Professor/Richter nach 20 Jahren bei gleicher Arbeit immer noch signifikant weniger als der ehemalige Investmentbanker verdient, ist Streit und Missgunst vorprogrammiert. Eine "erfolgreiche" Karriere in einem gut bezahlten Sektor im vorigen Berufsleben rechtfertig einfach nicht, für die gleiche Leistung mehr Geld zu verdienen. Es gäbe Beispiele von schreiender Ungerechtigkeit (zB eine Immobilienmakler vs. ein wissenschaftlicher Assistent). Ausserdem: einfach?? Wie bemisst man den das Gehalt von einem Investmentbanker, dessen Boni, Festgehalt und weitere Bezüge schon so schwer festzustellen und stark variabel sind? Einfach letztes Bruttojahresgehalt? Dann soll sich also das Gehalt in den nächsten 20 Jahren als Politiker daran orientieren, ob die Firma wo er gearbeitet hat (oder die Gesamtwirtschaft) in genau diesem Jahr gesund ist?
Der Moment, ab dem Leute wie "Marketingexperten" gesellschaftliche Verantwortung in diesem Land übernehme, ziehe ich aus. Dann fehlt uns ja wirklich nur noch ein Versicherungsverkäufer oder Immobilienmakler als Bundespräsident...
AntwortenLöschenauch ich würde mich um eine beantwortung der frage, inwiefern die unterschiedlichen bezüge für dieselbe tätigkeit gerechtfertigt werden könnten, freuen. das "warum nicht?" des verfassers empfinde ich als höchst unzureichend. versuchen sie dochmal, diesen weg der vergütung / anerkennung / wertschätzung von leistung und einsatz bei sich im der hochschule oder der familie anzuwenden. spätestens dann schließen sie sich vielleicht der meinung der kommentatoren an.
AntwortenLöschennicht entmutigen lassen :)
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